20 Apr 2023

Moderne Gartenkunst: Oudolf Garten und Gartenausstellung „Garden Futures“ auf dem Vitra Campus

Wenn Amsel, Drossel, Fink und Star wieder die Gärten bevölkern, die Störche zurückkehren und sich erste grüne Triebe an Bäumen und Büschen zeigen, packt viele nicht nur die Lust am Gärtnern, sondern auch am Reisen. Wie wunderbar, wenn man beides gleichzeitig erleben kann. Der Besuch des Vitra Campus in Weil am Rhein verbindet einen Spaziergang durch den Oudolf Garten mit einem Besuch der Ausstellung „Garden Futures“, Reiselust mit moderner Gartenkunst.

Gartenkunst und Genuss für Globetrotter

Das Dreiländereck Deutschland-Schweiz-Frankreich ist nicht umsonst eine der beliebtesten Urlaubsregionen. Zwischen Schwarzwald, Vogesen und Alpen sowie in der lieblichen Rheinebene locken so viele schöne Urlaubsziele, dass die Wahl schwerfällt. Ob Weinprobe oder Wanderurlaub – es gibt ein Ziel, das für alle Gartenenthusiasten dieses Jahr ein Muss ist: der einmalige Oudolf Garten und die inspirierende Gartenausstellung „Garden Futures“ auf dem Vitra Campus in Weil am Rhein.

Vitra Haus mit bunten Srtauden im Vordergrund

Der Vitra Campus in Weil am Rhein ist ein lohnendes Ausflugsziel für Gartenliebhaber. (Foto: Vitra)

Der Vitra Campus – Mekka für Design-Liebhaber

Das einzigartige Ensemble zeitgenössischer Architektur auf dem Vitra Campus vereint Produktionsstätte, Museen, Architektur und Inspiration auf engstem Raum. Neben wechselnden Ausstellungen, der extravaganten Architektur der Gebäude und dem sehenswerten Design Museum bietet Vitra außerdem regelmäßig Führungen und Workshops zu vielerlei Themen rund um Design und Garten an.

Eames Drahtstühle auf Rasen mit blühendem Baum

Eames Designstühle laden zum Picknick im Freien ein. (Foto: privat)

Die Lage mit Blick auf grüne Hügel und Weinberge ist herrlich. Reichlich Parkplätze, das Restaurant und Sitzgelegenheiten al fresco wie Eames Drahtstühle im großzügigen Garten machen einen Besuch noch attraktiver. Gerade im Frühling, wenn die vielen Obstbäume blühen, ist ein Picknick hier ein doppelter Genuss. Tipp für Familien: Für die Kleinsten gibt es im Garten einen eingezäunten Spielbereich mit den ikonischen Eames Elefanten, für Wagemutige einen auch architektonisch spannenden Rutschturm (von der Autorin selbst getestet)!

Oudolf Garten mit verschiedenen Stauden und Rutschturm im Hintergrund

Moderne Gartenkunst: der Oudolf Garten auf dem Vitra Campus (Foto: Vitra)

Der Oudolf Garten – 4.000 qm moderne Gartenkunst

Geschwungene Pfade, Staudenbeete voller natürlicher Vielfalt, eine kleine Wasserkunst und ein zentraler Baum mit puristischer Sitzbank (oder doch nur ein minimalistischer Zaun?) – immer wieder eröffnen sich beim Schlendern durch dieses Gartenkunstwerk neue Perspektiven, sind zu jeder Jahreszeit neue Entdeckungen möglich. Was auf den ersten Blick wild und willkürlich wirkt, folgt einem sinnhaften Design.

«Ich möchte, dass sich die Leute im Garten verlieren, statt einfach nur hindurchzulaufen», so Piet Oudolf.

Pflanzplan Oudolf Garten

Aus über 30.000 Pflanzen besteht das Gartenkunstwerk. (Foto: Vitra)

Im Mai 2020 wurde der Garten des niederländischen Gartenkünstlers Piet Oudolf auf dem Vitra Campus angelegt. Zur vollen Blüte kommt die kunstvoll komponierte Wildnis im Sommer bis Spätsommer. Jetzt, im Frühjahr, vollzieht sich ein wunderbarer Wandel von strukturell interessanten, verwelkten Blütenständen des letzten Jahres zu neuem Grün und farbenfrohen Frühblühern. Rund 30.000 Pflanzen, darunter Gewächse mit so geheimnisvollen Namen wie Persicaria amplexicaule ‘Alba’, Echinacea pallida ‘Hula Dancer’ oder Molinia ‘Moorhexe’, sind zum Einsatz gekommen. Einen detaillierten Pflanzplan finden Interessierte hier.

verwelkte Blüten vor Himmel mit Wolken

Verwelkte Blütenstände zeichnen im Frühjahr attraktive Strukturen. (Foto: privat)

Gartengestalter und Visionär – Piet Oudolf

Der Niederländer Piet Oudolf gilt als Vordenker einer Generation von Gartengestaltern, die in den späten achtziger Jahren begannen, die gängige Praxis infrage zu stellen. Die traditionelle Landschaftsgärtnerei war ihnen zu dekorativ, arbeitsaufwendig und ressourcenintensiv. Gerade in Zeiten des Klimawandels und der wachsenden Notwendigkeit zu nachhaltigem Wassermanagement auch im eigenen Garten ist dieses neuartige Konzept zukunftsweisend. Es setzt auf mehrjährige, oft selbstregenerierende Pflanzen, Stauden, Gräser, Büsche und Wiesenblumen, die als Gartenpflanzen lange ignoriert wurden, und eine ebenso unkonventionelle Anordnung der Gewächse. Das wirkt nicht weniger attraktiv als ein traditionell geplanter Garten, sondern bietet dem Auge zusätzlich ein spannendes Nebeneinander von Wildheit und Ordnung, Farben und Strukturen und eine natürliche Anpassung an die Jahreszeiten.

Blume mit Biene bunte Blumen und Garten aus der Luft

Zu allen Jahreszeiten bietet der Oudolf Garten interessante Perspektiven. (Fotos: Vitra und privat)

Oudolf achtet auf eine ausgewogene Zusammensetzung oder «Community», wie er es nennt, von Pflanzen mit unterschiedlichen Stärken und Schwächen, Blütezeiten und Lebenszyklen. So bieten seine Gärten das ganze Jahr über ein sinnliches Erlebnis und akzentuieren den Zerfall ebenso wie die Hochsaison.

Garden Futures – Designing with Nature

Nur wenige Schritte entfernt vom Oudolf Garten führt der Weg unter Obstbäumen zum von Frank Gehry entworfenen Vitra Design Museum. Bis zum 3. Oktober 2023 bietet hier die Gartenausstellung „Garden Futures“ multisensorische Garteninspirationen und tiefe Einblicke in die vielfältigen Beziehungen des Menschen mit Gärten. In der Ausstellungsbeschreibung heißt es: „Gärten sind Spiegel von Identitäten, Träumen und Visionen, sie haben tiefe kulturelle Wurzeln und sind Ausdruck unserer Beziehung zur Natur. Heute ist der Garten viel mehr als ein romantisches Idyll. Gärten sind zu Orten der Avantgarde geworden, dienen als Experimentierfelder für soziale Gerechtigkeit, Biodiversität und eine nachhaltige Zukunft.“

Gartengeräte und Gartenmöbel an einer Wand und Videoinstallation

Zwischen Arbeit und Muße – „Garden Futures“ im Vitra Design Museum. (Fotos: Vitra)

Bilder einer Ausstellung

Beim Betreten des ersten Ausstellungsraumes ziehen zwei Installationen den Blick auf sich: eine Wand mit verschiedensten Gartenmöbeln und gegenüber eine weitere mit klassischen Gartengeräten. Flankiert von den ursprünglichen Tätigkeiten im Garten – Arbeit und Muße – erzählen uns verschiedene Künstler und Planer in einer Videoinstallation von ihrem persönlichen Verhältnis zum Thema Garten.

Ausstellungsvitrine mit Wardschem Kasten

Im Wardschen Kasten wurden im 19. Jahrhundert exotische Pflanzen nach Europa transportiert. (Foto: Vitra)

Eine kurze Geschichte der Gärten

Weiter geht es durch die Geschichte des Gartens von vorchristlicher Zeit über die kolonialhistorische Bedeutung botanischer Gärten bis zu futuristischen Projekten moderner Gartenkunst unter ökologischen, ökonomischen und sozialen Gesichtspunkten. Wo immer Menschen ein Stück Natur einhegen, um einen Garten anzulegen, spiegelt sich stets auch ihr eigenes Verhältnis zur Natur – und mitunter das ganzer Gesellschaften und Epochen.“ Besonders beeindruckt hat mich die Bedeutung des Kolonialismus für die Gestaltung unserer heutigen, westlichen Gärten. Durch den sogenannten „Wardschen Kasten“ wurde es möglich, lebende Pflanzen über Wochen nach Europa zu verschiffen und in Botanischen und Privatgärten erfolgreich anzusiedeln. Viele dieser Pflanzen prägen auch heute noch unsere Gartengestaltung.

amerikanisches Werbeplakat aus dem 2. Weltkrieg

Nahrung statt Blumen – amerikanisches Werbeplakat aus den 1940ern. (Foto: Vitra)

Auch die staatliche US-Kampagne während des Zweiten Weltkriegs, private Gärten zur Nahrungsmittelversorgung der Bevölkerung zu nutzen, ist ein eindrucksvolles Beispiel, wie eng verzahnt die Nutzung von Gärten mit unseren konkreten Lebensumständen ist. Angesichts aktueller geo- und klimapolitischer Herausforderungen ist es nach wie vor ein spannendes Thema!

Haus mit blühenden Büschen

Blühende Oase des britischen Filmemachers Derek Jarman. (Foto: Vitra)

Gärten heute – Kunst oder Kulturgut?

Im dritten Teil der Ausstellung werden neun wegweisende Gartengestalter und Gartengestalterinnen der jüngeren Zeit mit ihren bahnbrechenden Projekten und Visionen porträtiert. In einem kurzen Video präsentiert zum Beispiel Piet Oudolf, wie er von der ersten groben Handzeichnung über farbige Pläne bis zum detaillierten Pflanzplan seine individuellen Entwürfe entwickelt. Mit viel Intuition und Fachwissen. Wer im Anschluss noch ein zweites Mal durch den Oudolf Garten wandelt, wird die Gestaltung mit ganz neuen Augen sehen und viel intensivere Eindrücke erleben. Garantiert! Vom blühenden Gartenkunstwerk des britischen Filmemachers Derek Jarman auf einer Kiesfläche in der Nähe eines  Atomkraftwerks über einen Gemeinschaftsgarten in der Millionenmetropole Kuala Lumpur bis zum Liao-Garten des Künstlers Zheng Guogu, der sich ästhetisch an das Videospiel „Age of Empires“ anlehnt – die Ingenuität und Diversität moderner Gartenkunst ist faszinierend.

Bild Parlament der Pflanzen

„Parlament der Pflanzen“ der Künstlerin Céline Baumann. (Foto: Vitra)

Gärten, Kunst und die Zukunft

Der letzte Teil der Ausstellung betrachtet aktuelle Projekte, die sich mit der Zukunft des Gartens auseinandersetzen: Im Zeitalter von Klimakrise, sozialer Ungerechtigkeit, bedrohter Artenvielfalt und sozialer Isolation wird der Garten zu einem Ort für innovative Zukunftsvisionen. Das Bild „Das Parlament der Pflanzen“ von Céline Baumann thematisiert zum Beispiel die berechtigte Frage, warum nur Menschen und Tiere eine Stimme in der aktuellen Klimadiskussion haben sollten?

Wandteppich

Mit neuer Haptik Natur erleben – der begehbare Wandteppich der Künstlerin Alexandra Kehayoglou . (Foto: Vitra)

Der großformatige, begehbare Wandteppich „Meadow“ der argentinischen Textilkünstlerin Alexandra Kehayoglou lädt mit seiner weichen, texturierten Haptik ein, Natur auf eine ganz neue, intime Art zu erleben.

Designing with Nature: der Pollinator Pathmaker

Mein persönliches Highlight der Gartenausstellung „Garden Futures“ passt perfekt zu meinem Herzensprojekt, dem klima- und insektenfreundlichen Garten. Der „Pollinator Pathmaker“ (Pollinator ist das englische Wort für Bestäuber) ist ein Online-Planungstool der Künstlerin Alexandra Daisy Ginsberg im Auftrag des Eden Project in England zur Anlage eines insektenfreundlichen Staudenbeetes. Das Ziel ist, (…) Kunst für Bestäuberinsekten zu schaffen. Menschen sind in diesem Fall primär für die Pflanzung und Pflege zuständig.“ Statt aus der ästhetischen Perspektive des Menschen wird hier die Beetplanung aus der Perspektive wichtiger Bestäuberinsekten entwickelt. Diese Anwendung ist durch die Implementierung eines einzigartigen Algorithmus eine Art lebendes, immer wieder neu entstehendes Kunstwerk. Ginsberg entwickelte sie gemeinsam mit Gärtnerinnen und Gärtnern des Eden Project und einem KI-Wissenschaftler. Die Anwendung ist denkbar einfach:

  1. Standort und Größe des Beetes eingeben
  2. Konsistenz und pH-Wert der Erde bestimmen
  3. Licht- und Wetterverhältnisse angeben
  4. Empathie (sprich eigene Interessen) wählen:
    Pflanzenarten, Anlage und Flugrouten der Insekten

Noch ein Knopfdruck und der Algorithmus erstellt einen individuellen Pflanzplan mit Pflanzliste, Anzahl der benötigten Pflanzen und Pflanzanleitung. Eine 3D-Ansicht inklusive Insektensummen vermittelt eine Vorstellung, wie das Gartenkunstwerk einmal aussehen wird.

3D-Bild Staudenbeet

Die 3D-Darstellung vermittelt eine Idee des zukünftigen Beetes. (Foto: privat)

Der Pollinator Pathmaker ist natürlich kein Ersatz für eine professionelle Gartenplanung, aber eine sinnvolle Hilfe für eine freie Beetfläche. Mein bestäuberfreundliches Beet ist schon geplant und in Arbeit. Ich bin begeistert und gespannt.

Führungen durch die moderne Gartenkunst

Neben deutsch- und englischsprachigen Führungen durch den Oudolf Garten bietet der Vitra Campus auch unterschiedlichste Vorträge, Entdeckungsreisen und Workshops rund um das Thema Garten. Ein Blick auf den Veranstaltungskalender lohnt sich und lädt vielleicht zu einem zweiten oder dritten Besuch ein.

Liegestühle in Garten mit lila Blumen

Der Garpa Showroom in Freiburg bietet Inspiration für die eigene Gartengestaltung.

Garpa und die moderne Gartenkunst

Für alle Gartenenthusiasten, die jetzt Lust auf einen Besuch des Vitra Campus Gartens bekommen haben, gibt es noch ein weiteres lohnendes Ziel in der Nähe: der Garpa Showroom in Freiburg. Nur eine kurze Autofahrt entfernt kann ein Besuch der schönen Stadt im Breisgau gleich mit der Auswahl passender Gartenmöbel für die neue Gartengestaltung verbunden werden.

Uns würde sehr interessieren, wie Ihnen der Oudolf Garten und die Ausstellung „Garden Futures“ gefallen. Vielleicht mögen Sie auch Ihr persönliches Bestäuberbeet des „Pollinator Pathmaker“ mit uns in den Kommentaren teilen.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert